Heute war Waschtag! In der Regel ist es nichts besonderes… das zertifizierte Waschmaschine-Trockner-Aufräumen-Fertig-Produktion! Ausnahmsweise habe ich mit Flecken auf der Gardine zu tun gehabt… Die Flecken waren schon einige Wochen alt, weil ich mich bisher mit dieser Herausforderung nicht auseinander setzen wollte. Allein die Entdeckung dieses sonderbaren Füllfeder-Tinten-Motivs von unregelmäßig verteilten Punkten auf einer Fläche von 1 x 2 Meter hellem Baumwollstoff war Aufregung genug für ein ganzes Jahr. Deshalb habe ich diesen Zustand unbewusst als Problem definiert und einfach Zeitlang ignoriert, immer wieder vertagt und heute schließlich eingeknickt.
Nach Studium der diversen Nachschlagewerken konnte ich mir einige Hypothesen, mit welchem Mittel ich die Flecken am besten vorbehandeln sollte zusammenstellen. Die Liste reichte von Gal-seife bis Spülmittel sogar Haarspray und Desinfektionsmittel waren empfohlen. Ich habe noch Badreiniger, Zahnpasta und WC-Schaum hinzugefügt und mich mit einer alten Zahnbürste an die Arbeit gesetzt. Ich hatte unterschiedliche Ergebnisse. Weil ich die Mittel zum Teil miteinander vermischt habe, bin ich leider von der wissenschaftlichen Forschungsweg abgezweigt und kann meine Doktorarbeit „Entfernung von Füller-Tinte von Baumwollstoff“ nicht an diesem Exponat fortführen… Ich sollte als nächstes eine Bewerbung für die EU-Fonds aufsetzen, um finanzielle Mittel zu beantragen…
Spaß bei Seite, ich hatte ausreichend Zeit, etwas über den Rand hinaus zu denken, während ich die Gardine mit den diversen Mitteln vorbehandelte. Als die Flecken sich ziemlich hartnäckig erwiesen, habe ich sogar Freude gehabt, diese für immer zu behalten… als Erinnerungen an die gelebten Zeiten… weil das Leben spuren hinterlässt… weil jeder Mensch was verändert… ist es nicht berührend, sich an diese Änderungen nach Jahren wieder zu erinnern? Nach 10, 20, 50 Jahren? Oder wenn diese Zeilen die Generation meiner Kinder überleben sollten vielleicht nach über 200 Jahren?
Mein Kind hatte als erster in seiner Klasse den Füllerdiplom… Er ist so stolz, endlich mit seinem Füller zu schreiben. Das ist eine Kleinigkeit für viele, aber ein wahnsinniger Selbstwert-Zuwachs für ihn. Und diese einmalige Erinnerung, das Ungeschick beim Patronenwechsel ist das Zeugnis einer wichtiger Zeit in seinem Leben. Wie konnte ich die Spuren zerstören vollen? Der Beschuss war gefällt: Die Tintenflecken gehören unbedingt auf die Gardine!
Solche Erinnerungen sind wie „Salz auf unserer Haut“. Genauso sind die Spuren des Lebens, die diese Erinnerungen hervorrufen… Keine zwei gleiche Häuser können genauso gleich sein, wenn sie eins bewohnt werden. Wir verändern sie, passen sie uns an. Wann aus einem Haus ein Heim wird entscheiden wir… solange wird verändert, dekoriert und gelebt…Manchmal sind es welche Möbelstücke, die wir von Urgroßeltern bekommen haben, die uns zu unserer Vergangenheit verbindet und unser Haus für uns einmalig macht. Die Kaffeeservice der Oma, die Klappuhr von Opa oder Babyschaukel, wo eins wir selber drin lagen… Einfach unersetzbar diese Schätze…
Ich habe mich gefragt, was wohl das älteste ist, was ich besitze… Ich komme etwa Anfang 1900er mit einigen Urkunden, alle weiteren geerbten Gegenstände sind schon von späteren Jahren. Allein das Haus, wo ich wohne zählt quasi Neubau. Dann blieb ich vor dem Holzklotz, der uns als Podest dient stehen und habe angefangen zu rechnen, wie alt der sein könnte…
Früher, vor über 100 Jahren, wurde Konstruktionsholz aus Rundstämmen in die gewünschte kantige Maße behauen. Für diese Holzbalken wurde Fichte oder Eiche genommen, wobei der letztere bis zu 800 Jahre alt werden kann. Nun unser Podest stammt von einem abgerissenen alten Scheune, und wenn man nur die sichtbaren Jahresringe zählt, kommt man allein auf 50… weitere ca. 150 als Balken und mindestens 20 als Podest… Es ist eindeutig über 200 Jahre alt. Welche Geschichten hätte er wohl zu erzählen?
Gefällt dir dieser Text? Lies auch mal, was ich über eine Garage geschrieben habe…
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